Barbara Stauffacher-Wegmann

Weiss, nicht nur
Ihre Bilder, erzählt sie fast ein wenig verlegen, würden sehr rasch entstehen, in wenigen Augenblicken. Tatsächlich erscheinen die jüngsten Arbeiten von Barbara Wegmann formal stark reduziert. Ein paar wenige Striche, die Körper und einfache Figuren ergeben. Auch in der Wahl der Farben hat sich Barbara Wegmann Zurückhaltung auferlegt. Selten verwendet sie mehr als zwei bis drei Töne, die sie auf die weiss grundierte Leinwand ihrer kleinformatigen Bilder (30 x 30 oder 40 x 40 cm) bringt.
Die Schlichtheit versetzt die Malerin in Verlegenheit, den Betrachter in Erstaunen; denn die formale Zurückhaltung bringt ein Äusserstes an Energie und Bewegung zum Ausdruck. Ein blosses Kreisen auf der Leinwand erscheint als die gültige Formulierung exakt dieser Bewegung, als hätten wir es mit einer Art Archetypus des Dynamischen zu tun. Ein Brustbild in schematischer Reduktion zeichnet sich weniger durch figürliche Übereinstimmung aus als durch die ihr innewohnende Spannung, die einer zeichnerischen Sicherheit entspringt, der gemeinhin lange Übung vorausgeht.
Die kleinformatigen Arbeiten Barbara Wegmanns erinnern an kaligraphische Werke japanischer Meister, in denen nicht zuletzt die Bewegung des Schreibers erhalten bleibt, eine Fixierung der Zeit, ein Festhalten flüchtiger Energie in dauerhafter Gestalt. Man täte Barbara Wegmann jedoch unrecht, hinter ihrer Kunst beispielsweise eine Art meditative Übung zu verstehen. Zumindest im Bewusstsein der Künstlerin scheint dies nicht der Fall zu sein. Dennoch teilen einem diese Bilder Wesentliches mit, gerade weil sie Zeichen des Wesentlichen darstellen.
Barbara Wegmann malt spontan, ohne thematische Vorgabe entstehen die Bilder am Boden ihres Ateliers. Sie arbeitet unter anderem mit Acrylfarbe, die sie direkt auf die Leinwand bringt und mit einem Spachtel in wenigen Zügen verstreicht. Die Linien sind denn Signaturen einer physischen Energie, die geläutert erscheint von Absichtlichkeit, Zeichen des Unprätentiösen einer konzentrierten Bewegung.
Nicht allen Arbeiten Barbara Wegmanns sind freilich von solch vibrierender Dynamik wie gerade die kleinsten ihrer Bilder, obgleich die Bewegung auch in den grossformatigen Werken zentral ist. Eine erste Betrachtung lässt zwar den Verdacht aufkommen, man habe es mit tachistischen Ansätzen zu tun. Schliesslich tauchen jedoch aus den Tiefen der nicht selten immer und immer wieder übermalten Farbschichten Figuren auf. Diese beinahe nur als Schatten menschlicher Körper erscheinenden Formen wirken dunkel und stumm, stumm mit offenem Mund. Man denk an Munch, aber die Figuren, wie sie etwa in einem Bild aus dem Jahr 1997 zutage treten, sind wesentlich stärker in existentieller Auflösung begriffen, nur mehr Muskelstränge und eine, durch einen transparenten Körper hindurch schimmernde Wirbelsäule. Und hier sind sie wieder, die sicheren, fast nüchternen Striche, die ein unverstelltes körperliches Sein auf die Leinwand übertragen oder als Kratzspuren die Farbflächen wiederum aufbrechen und tief in die archäologischen Schichten des Bildes eindringen.
Und erneut ist man damit auf den Begriff der Zeit verwiesen, auf Geschichte, die im Bild in Gleichzeitigkeit verwandelt wird, auf Bewegung, die auf der Fläche festgehalten bleibt, doch nicht erstarrt. Die Dynamik der Spontaneität ist das Thema in der Malerei von Barbara Wegmann. Und im Grunde erfahren wir hier, was Malerei, was Zeichnen ist: Das Übertragen von Energie auf Fläche mit den Mitteln von Farbe und Form.
Ronald Schenkel, September 1999

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